Das Bundesnaturschutzgesetz soll geändert werden. Wird ein bestehendes Gesetz geändert, so soll der Kern dieses Gesetzes meist gestärkt werden – das Gesetz also wirkungsvoller gemacht werden. Nur dieses mal geht es in die gegengesetzte Richtung: um die Genehmigungsverfahren für den Bau von Windkraftanlagen zu beschleunigen, wird der Artenschutz aufgeweicht – und der Status von Landschaftsschutzgebieten relativiert.
Offiziell liest sich das natürlich anders. Da heißt es wortwörtlich: „Naturschutz und Ausbau erneuerbarer Energien gehen Hand in Hand“.
Wir haben einen Brief an unsere Bundestagsabgeordente Frau Wiebke Papenbrock, die über diese Novelle abstimmen wird, geschrieben:
Betreff: geplante Änderung des Bundesnaturschutzgesetz
Sehr geehrte Frau Papenbrock,
das Bundesnaturschutzgesetz soll dahingehend geändert werden, dass Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen an Land vereinfacht und beschleunigt werden – so der Tenor der Bundesregierung. Diese Vereinfachung soll u.a. durch eine einheitliche Definition von Schutzzonen für bedrohte Arten erzielt werden. Weiter heißt es, würden dabei „hohe ökologische Standards garantiert“ werden.
Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass es bei der einheitlichen Definition von Schutzzonen im Falle von Großvögeln wie z.B. dem Rotmilan, in erster Linie um eine formale Feststellung von Aktionsradien rund um die Nester bzw. Horste handelt. Sprich es wird einheitlich geregelt in welchen Abständen zu Bestandshorsten Windkraftanlagen gebaut werden dürfen.
Dabei wird ein Radius/Abstand bestimmt, innerhalb dessen der Vogel in Untersuchungen am häufigsten geortet werden konnte (Telemetriedaten) – dies entspricht nicht der tatsächlichen Raumnutzung der Vögel.
D.h. die Vögel fliegen selbstverständlich auch außerhalb dieser formal festgesetzten Radien und suchen nach Nahrung (abgesehen davon ist der Rotmilan in der Regel ein Zugvogel). Diese Feststellung ist insofern von Relevanz, da ihr Wahlkreis zu den Gebieten zählt, in denen (noch) eine sehr hohe Population dieser gefährdeten Greifvogelart existiert. Um die Art zu erhalten, müssen Populationen wie diese unbedingt stabil gehalten werden.
Neben dem Mäusebussard, ist der Rotmilan, das häufigste Schlagopfer von Windkraftanlagen.
In Ihrem Wahlkreis leben nicht nur überproportional viele Rotmilane, sondern es stehen heute schon überproportional viele Windkraftanlagen. Und es sollen noch sehr viel mehr werden – so soll kurzfristig der Bestand mit sehr viel größeren (250 Meter und höher, mit einem Drehbereich von 20612 qm – was in etwa vier Fussballfeldern pro Anlage entspricht) und damit für die Großvögel deutlich gefährlichere Anlagen wenigstens verdoppelt werden. Anlagenbetreiber sprechen sogar von einer Vervierfachung des Bestandes an Anlagen.
Wenn diese Pläne umgesetzt werden sollten, werden aus den bereits existierenden dicht gesetzten Windparks, ein flächendeckender Teppich von riesigen Windkraftanlagen auf der Ruppiner Platte. Dann wird es keine ausreichend großen Rückzugsgebiete für die heute existierende Population des Rotmilans geben. Der Umstand, dass direkt daneben wichtige Vogelschutzgebiete liegen, wird dann zum blanken Hohn gereichen. Der Rotmilan sei hier nur exemplarisch genannt – die Gefährdung von sämtlichen Großvogelarten steht hier zur Debatte – einschließlich Seeadler, Fischadler, Kraniche, Störche, … .
Menschen die sich für Artenschutz einsetzen, haben es in Diskussionen in denen mit Totschlagargumenten wie der öffentlichen Sicherheit und dem Klimawandel inflationär operiert wird, nicht leicht überhaupt gehört zu werden. Dabei wird gerne übersehen, dass nur eine holistische Betrachtung unserer Energieversorgung, unserer Umwelt und den Herausforderungen denen diese sich gegenübergestellt sehen, uns Menschen, unsere Gesellschaft im Sinne einer besseren Zukunft weiterbringen werden.
Daher möchten wir Sie stellvertretend für viele Bürger Ihres Wahlkreises bitten, die Verabschiedung dieser geplanten Novelle kritisch zu hinterfragen:
Es ist völlig unstrittig, dass funktionierende Ökosysteme den Klimawandel deutlich besser moderieren können. Welche Garantien kann die Bundesregierung geben, dass die Artenvielfalt und damit die Funktionsweise des Ökosystems durch die Novelle dieses Gesetzes in Ihrem Wahlkreis nicht gefährdet sein wird?
Nachbemerkung
Es gibt gerade in den Medien viele Stimmen, die sehr aufgeregt, bis zu einem imaginären Höhepunkt dramatisierend, viel reden, aber wenig konkrete nachhaltige Strategien oder Lösungen aufzeigen können.
Wir möchten eine betont sachliche Diskussion in dieser Frage und könnten sehr viele wissenschaftliche (auch internationale) Studien an dieser Stelle anführen. Wir belassen es bei einer Untersuchung seitens des Landesamts für Umwelt (und deren Quellenangaben) – weil wir davon ausgehen, dass Sie die Standards einer Landesbehörde zu schätzen wissen und die Ergebnisse ernst nehmen werden.
https://lfu.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/endbericht_greifvogelprojekt.pdf
Mit freundlichen Grüßen,
Gegenwind Protzen