Das Treffen in Kyritz (1)

Warum die Windkraftanlagen womöglich nur Geldkraftanlagen sind und warum dies noch lange so bleiben wird. Und eine mögliche Antwort auf die Frage: Wer profitiert? Das Klima oder die Betreiber? (TEIL 1)

Unter beachtlicher Beteiligung der Bürgerinitiativen aus Protzen und Stöffin fand am 7. April in Kyritz eine Vollversammlung der Regionalen Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel statt. Derzeit liegt noch kein Protokoll der Sitzung vor, deshalb kann dieser Beitrag nur einen speziellen Blick auf einen einzigen Tagesordnungspunkt bieten:

Als Punkt 6.3 „Informationen der E.DIS Netz GmbH zu Windenergieanlagen“ sollten ursprünglich die Verantwortlichen der E.dis Fragen zum Netzzustand und zum Netzausbau liefern, um die Entscheidungen der Konferenz fachlich zu unterstützen. Sie waren jedoch an diesem Donnerstag (aus welchem Grund auch immer) nicht erschienen. Der Tagesordnungspunkt entfiel. Die E.dis hat stattdessen am Folgetag eine Präsentation* als PDF geschickt, die im Netz unter folgendem Link allgemein einsehbar ist: Präsentation (E.DIS Netz GmbH)
Es wäre mit Sicherheit besser gewesen, wir hätten diese an Zahlen und Prognosen reiche Präsentation von kompetenten E.dis-Expert:innen erläutert bekommen. Und wir hätten gerne gehört, welche Konsequenzen aus den beschriebenen Fakten gezogen werden müssen. Dieses Schriftstück ist nämlich – nach unserer bescheidenen Interpretation – im Grunde eine Bankrotterklärung der Planungsverantwortlichen für die erneuerbaren Energien, ein Armutszeugnis für die zuständigen politischen Gremien und eine Ohrfeige für all jene, für die „Umwelt“ und „Natur“ nicht nur Vokabeln für macht-taktische und profit-getriebene Interessen sind.

Was steht drin und was lernen wir daraus? – Wir fassen die wesentlichen Punkte hier zusammen:

1. Die tatsächliche Leistung der bestehenden Kraftwerke liegt nur bei rund 15 Prozent

Im Netz der E.dis lieferten die bereits installierten Anlagen im Jahre 2020 nur 1.371 Vollaststunden Strom. Das Jahr hat aber 8.760 Stunden und die Leistung der Anlagen entspricht somit nur 15,65 Prozent oder einem Sechstel der installierten Leistung. (Seite 7)

2. Die Netze sind bereits heute hoffnungslos überlastet.

Das Dokument beweist weiter: Es besteht eine massive Überkapazität bei der Erzeugung erneuerbarer Energie in der Region. Zitat Seite 6: »In vielen Regionen übersteigt die Leistung an EEG-Anlagen bereits heute die ursprünglich für das Netz auslegungsrelevante maximale Verbrauchslast um den Faktor 10 und mehr.« Teilweise liegt diese Last bereits heute um den Faktor 100 höher als das Netz es ursprünglich erlaubt. Am meisten überlastet ist die Region Prignitz und die Uckermark.

Nimmt man das E.dis-Dokument wörtlich, bleibt der Netzausbau gewaltig hinter dem Ausbau der WKA und Photovoltaik zurück. Hierdurch erklären sich möglicherweise auch unsere Beobachtungen, dass die bestehenden WKA oft abgeschaltet werden. Der Strom kann schlicht nicht fließen.

3. Es fließt kein Strom – die Eigentümer der Windkraftanlagen aber verdienen trotzdem

Dies führt zu hohen Kosten für die Netzbetreiber, denn die WKA-Besitzer erhalten im Falle der Abschaltung wegen Überkapazitäten satte Entschädigungen. Es kann ihnen egal sein, ob der Strom auch verteilt bzw. verbraucht werden kann. Ihr Geld bekommen sie trotzdem – von uns als Stromkunden. Allein in Prignitz-Oberhavel waren dies im Jahr 2020 fast 12 Millionen Euro. Im Folgejahr 2021 summierte sich dies für ganz Brandenburg auf rund 40 Millionen Euro. – Das ist viel (von unserem) Geld für nicht erzeugten und nicht verbrauchten Strom (Seite 8). Seit dem 1. Januar 2020 gilt die Neufassung der EU-Verordnung über den Elektrizitätsbinnenmarkt (2019/943), die eine hundertprozentige Entschädigung bei der Abregelung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien vorsieht.

4. Geht der Ausbau der Windenergie trotzdem weiter? Und: Wie kann der Netzengpass behoben werden und wie lange dauert das?

Aus den vorgelegten Statistiken (Seiten 10-13) lassen sich diese beiden Fragen relativ leicht beantworten: Ja, es geht weiter. Und zwar mit einer Verdoppelung der Windenergiekapazitäten in ein bis zwei Jahren. Und: Nein – der Engpass kann nicht so einfach behoben werden und schon gar nicht schnell. Das kann auch schon mal 10 Jahre dauern. Wir rauschen sehenden Auges in eine gigantische Natur- und Ressourcenverschwendung ohne Beispiel hinein, denn wir bauen keine Windkraft-Anlagen für die Erzeugung erneuerbare Energie (WKA) sondern lediglich Geld-Kraft-Anlagen (GKA) zur unbegrenzten Kapitalvermehrung für Erbauer und Betreiber dieser Türme.

Das E.dis-Papier (und hier ist auch immer nur das E.dis-Netz gemeint) stellt eine in der Region Prignitz-Oberhavel aktuell  installierte Windkraft-Kapazität von rund 1 Gigawatt fest. Die derzeit zusätzlich beantragte und vor der Genehmigung stehende Kapazität beträgt ebenfalls knapp 1 Gigawatt. – Eine klare Verdoppelung in naher Zukunft, falls die Regionalversammlung bzw. das Landesamt für Umwelt alle beantragten Windkraftanlagen durchwinkt.

Das Netz aber macht das nicht mit: Auf Seite 12 des Dokuments wird der dramatische Engpass für das gesamte E.dis-Netz erklärt: Ursprünglich auf 2,4 Gigawatt ausgelegt und in den letzten Jahren auf 12,6 GW ausgebaut, steht die E.dis vor dem Problem, allein schon die bis zum 1. Mai 2021 beantragte Leistung von dann 60 GW zu bewältigen. Das geht möglicherweise nur mit neuen, riesigen 110 kV Freileitungen. Und deren Bau dauert vom Antrag bis zur Fertigstellung dann gerne auch mal bis zu 12 Jahre, wie sich dem vorgelegten Zahlenwerk entnehmen lässt.

5. Was bedeutet das für unser WEG 28?

Nur für die beiden Windkraftwerke, die dann die Stadtwerke Neuruppin beliefern, ist der Stromtransport möglich. Die Trasse ist zwar noch nicht gebaut, aber bereits vorbereitet und der Strom kann künftig  rund um die Uhr unabhängig von Netzengpässen oder der Einkaufspolitik der großen Stromkonzerne auch direkt von der SWN verbraucht werden. Im Prinzip ein schönes Modell und ein Beispiel dafür, wie CO²-neutrale Energieerzeugung eben auch funktionieren kann und funktionieren müßte. Die restlichen 14 Anlagen werden wohl nur Geld für die Erbauer produzieren. Aber keinen Strom.

6. Was lernen wir daraus?

Der Bau von Windkraftanlagen allein – um den Preis einer massiven Naturzerstörung und der erheblichen Verminderung der Lebensqualität von Mensch und Tier – löst weder das Problem der Erderwärmung noch schließt er die zu erwartende Energielücke, solange der Strom nicht auch an die Verbraucher gelangen kann. Wir fordern deshalb die politisch Verantwortlichen auf, dringend ein ganzheitliches, schlüssiges und funktionierendes Konzept für einen verantwortungsvollen Umgang mit den natürlichen und technischen Ressourcen vorzulegen.

Teil 2 dieser Berichterstattung folgt.

* ANMERKUNG: Es empfiehlt sich, die E.dis-Präsentation sehr sorgfältig zu lesen, um keine Rechenfehler zu machen. Auf einigen Folien ist die Rede vom „E.dis-Netz“, auf anderen von der „Region Prignitz-Oberhavel“ und auf wieder anderen Seiten vom „Land Brandenburg“. Die aufgeführten Zahlen können also nicht gefahrlos 1:1 gegengerechnet werden.

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